Man stelle sich folgendes Szenario vor: ein sonntäglicher Winterabend, man macht es sich vor dem Fernseher richtig gemütlich und steigt mit Hilfe des Tatorts tief hinab in jene menschlichen Abgründe, die einem , so lange man sie von der Couch aus betrachten darf, wohlige Schauer über den Rücken jagen. Doch was ist das? Der Mörder agiert so kopflos wie der 1.FC Köln in der Hinrunde und hinterläßt die Tawaffe MIT Fingerabdrücken! Das ist ungefähr so, als ob man mit einem Innenverteidigerduo à la Toprak/Subotic auf Höhe der Mittellinie verteidigt… Spannung? Fehlanzeige! Der hilflose Täter wird bereits nach der Hälfte der Sendung überführt und die restliche Dreiviertelstunde herrscht solch gähnende Langeweile, dass man sogar anfängt, sich mit seinem Ehepartner zu beschäftigen! Würde jeder Tatort auf diese Weise ablaufen, der Deutschen zweitliebstes Kind würde schnell vom Hof gejagt!
Beim liebsten Kind der Deutschen dagegen ist jenes Szenario Realität. Mit den Blättern von den Bäumen schwindet auch die Hoffnung auf einen mitreißenden Titelkampf. Spätestens im Winter sieht die Tabellenspitze so trostlos aus wie die kahlen Baumkronen! In den letzten fünf Jahren hieß der Herbstmeister stets Bayern München, aber anders als in der Natur, die im Frühjahr ein Blättercomeback erlebt, blieb es stets bei diesem recht eindimensionalen Tabellenstand. Doch beim Serienmeister herrscht keine Einsicht, Rummenigge und Co wollen trotz alledem immer mehr Geld aus den Fernsehtöpfen, um die Kluft weiter zu vergrößern! In diesem Fall würde ein Blick über den großenTeich ausnahmsweise mal hilfreich sein, denn die gierigen Bayern könnten ausgerechnet von den Supervorzeigekapitalisten der NFL lernen. Jene kultivieren mit ihrem nahezu altruistisch anmutendem Draftsystem, in dem der Schwächste mit dem besten Nachwuchsspieler verstärkt wird, eine homogene und ausgeglichene Liga. Als Folge gab es in den letzten zehn Jahren acht verschiedene Super Bowl Gewinner, wodurch mehr Spannung und größeres Interesse generiert wurde. Vielleicht sollte die bayerische Führungsriege mal bei Erich Kästner stöbern. In seinem Gedicht „Ansprache an Millionäre“ heißt es: „Ihr sollt ja gar nicht aus Güte handeln. Ihr seid nicht gut und auch sie sind’s nicht. Nicht Euch aber die Welt (Bundesliga) zu verwandeln ist Eure Pflicht! Ihr helft, wenn Ihr halft , nicht etwa nur Ihnen. Man kann sich, auch wenn man gibt, beschenken.“
Doch wie die Millionäre in Kästners Gedicht erkennt die bayerische Führungsriege den möglichen Nutzen des Teilens nicht. Deshalb schließt Kästner mit den Worten: „ Ihr seid nicht klug, ihr wollt noch warten. Es tut uns leid, ihr werdet’s bereuen!“
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